Gruetgasse Gruetgasse
Foto: Peter Leßmann

Geschichte

Genussmeile und Nadeloehr

Die Gasse 

Vom Domplatz führt der Geisbergweg erst auf einem breiten Fußweg, dann durch ein Nadelöhr über eine Treppe und eine Rampe zur Rothenburg – Radfahrer müssen absteigen. Die Gasse zwischen Domplatz und Rothenburg ist 144 Meter lang.

Die Geschichte

Im Alerdinckplan von 1636 gab es an dieser Stelle eine Sackgasse zu Hinterhöfen und Gärten. „Das Gelände gehörte den Domherren. Bis 1802 war der Dombezirk eine Art Stadt in der Stadt“, erklärt Dr. Bernd Thier vom Stadtmuseum Münster. Ab 1802 kam Münster unter wechselnde Herrschaft der Preußen und der Franzosen. 1808 zog das Postamt in die ehemalige Domkurie am Domplatz ein, an der Stelle, wo heute immer noch die Hauptpost steht. Die Sackgasse daneben führte zur 1709 errichteten Domprobstei, die ab 1832 für das Lehrerinnenseminar genutzt wurde. Dom-Mädchen- und Töchterschule waren dort ebenfalls untergebracht. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Reichspostverwaltung (1878 –1880) neu gebaut. Gegenüber der Post hat der Regierungssitz ein ähnliches Schicksal: 1886 bis 1889 errichtet. Im Buch zur Ausstellung „Münster auf alten Postkarten“ ist die ehemalige königliche Regierung um 1900 zu sehen: ein herrschaftliches Gebäude mit verzierten Giebeln.

Zu einer Post gehörten im 20. Jahrhundert noch die Telefonzellen – Dr. Bernd Thier erinnert sich gut an die gelbe Reihe von fünf, sechs oder sieben Telefonzellen. „Oft waren alle besetzt und Leute warteten in Schlangen, bis sie an der Reihe waren“, erzählt der Historiker aus dem Stadtmuseum. In den 1990er Jahren hatten dann die Zehn-Pfennig-Stücke zum Einwerfen ausgedient. „Von da an gab es Telefonkarten zum Aufladen und die Sammler lungerten um die Telefonzellen herum“, weiß Thier noch zu gut. Wer mal bei Ebay reinklickt, wird diese Karten und ebensolche Sammler immer noch finden …

Velens Wappen Foto: Peter Leßmann
Wappentier: In von Velens Wappen sind drei „Merletten“ zu sehen, entenartige Vögel ohne Füße.

Der Name 

Max Geisberg (1875–1943) war Direktor des Landesmuseums der Provinz Westfalen: in Münster geboren und ein großer Liebhaber seiner Stadt. Kein Wunder, war schon sein Vater Stadtarchivar. 1911 wurde Max Geisberg zum Direktor ernannt. Weil er das Landesmuseum als Wissenschaftler führte und nicht zu einer Propagadaplattform für die Nazi-Ideologie machen wollte, wurde er 1934 beurlaubt, aber 1940 wieder kommissarisch eingesetzt.

„Als 1954 der Wiederaufbau der Stadt in vollen Touren lief, benannte die Stadt diesen Weg nach Max Geisberg, um ihn zu würdigen“, erzählt Dethlefs, Historiker am Stadtmuseum und heute am LWL Museum als Referent für Landesgeschichte tätig. „Ohne Max Geisberg wäre es ungleich schwieriger gewesen, die Stadt nach dem historischen Vorbild wieder aufzubauen.“ Denn zu Max Geisbergs Aufträgen und Arbeiten gehörte unter anderem, die Bau- und Kunstdenkmäler Münsters zu dokumentieren. „Das war sein Lebenswerk. Dank dieser Unterlagen konnte Münster seinen Dom, das Rathaus und die Pfarrkirchen wieder aufbauen.“ Dr. Gerd Dethlefs erzählt die tragische Geschichte von Max Geisberg: „Er wurde am Domplatz geboren und bekam 1943 am 2. Juni einen Schlaganfall, als er über den Domplatz ging. Dadurch ist ihm erspart geblieben, die Zerstörung seines geliebten Münsters im Oktober 1943 mitzuerleben.“

Bis heute sind die sechs Geisberg-Bände, 300 bis 600 Seiten stark, DAS Nachschlagewerk für alle, die sich für die Stadtgeschichte interessieren. 1976 gab es einen Nachdruck durch den Aschendorff Verlag. „Als die erschienen sind, haben meine Eltern mir diese zum Abitur geschenkt“, erinnert sich Dr. Dethlefs. Die Bücher benutzt er mindestens einmal in der Woche. 

Geisbergweg Foto: Peter Leßmann
Früher war die Adresse des Geisbergweges „Am Domplatz“.

Die Verbindung heute 

Tische und Bänke der Gastronomie und die fröhlichen Gäste machen die gesellige Atmosphäre im Geisbergweg aus. Im Jahr 2016 installierte der damalige Fyal-Chef Jens Abeler Stahlseile mit 38 „fliegenden“ bunten Regenschirmen.

Die Besonderheit

Das einzige heute noch bestehende Gebäude steht unter Denkmalschutz. Der heutige Geisbergweg Nummer 8 (ehemals Domplatz 4/5) war der 1724 erbaute Pferdestall der Domkurie, dem Wohnhaus eines Domherrn. Auf einem Schild neben dem Wappenstein aus Sandstein steht: „1724 vom Domherrn Anton Heinrich von Velen errichtet.“ Der lebte von 1678 bis 1752 und ist im Dom begraben.

Die Geschäfte

Neben Post und Regierung regieren Gastlichkeit und Genuss: Geht man in der Weinhandlung Mesters die Treppe runter, findet man sich im Schlaraffenland wieder – mit verständiger Beratung. Ebenso einladend und eine Größe in der Stadt sind das Café Fyal Central und seit einiger Zeit Dieks Wurstbrathalle. Zur Rothenburg findet man Brille Fielmann und die Traditionsgaststätte Töddenhoek.

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